In den letzten Tagen drängen sich die Worte Macht und Ohnmacht immer wieder in mein Bewusstsein. Liegt es an der momentanen Zeitqualität, oder gar an der Corona-Pandemie? Es vergeht kein Tag ohne neue Erkenntnisse über Mutationen, Impfungen und/oder Verordnungen. Unser aller Leben wird seit einem Jahr beträchtlich durch das Corona-Virus mitbestimmt. Und jetzt melden sich noch die Macht und die Ohnmacht bei mir. Ist das nötig?
Führt Macht immer zur Ohnmacht?
Dieser Gedanke lässt mich nicht mehr los und schon drängt sich die nächste Frage auf: „Wer oder was hat wirklich Macht über mich?“ Längst ist mir klar, dass ich im Alltag immer wieder mit eigenen Machtinstrumenten konfrontiert bin, die mir das Leben mitunter ganz schön schwermachen: Etwa meine „inneren Antreiber“ oder hartnäckige Vorurteile. Sie blockieren mich und erlauben mir nicht den Blick über den Tellerrand. Auch diverse Süchte können eine große Macht über einen Menschen ausüben. Auf diese Aspekte möchte ich hier jedoch nicht näher eingehen.
Das subjektive Gefühl, dass Menschen Macht über mich haben, katapultiert mich in einen längst vergessenen Zustand: Ich lebe nicht wirklich, ich existiere nur! Bin immer in Hab-Acht-Stellung! Hoffentlich mache ich alles richtig, wenn nicht, drohen Konsequenzen!
Eine gefährliche Falle
In diese Gefühlsfalle bin ich viele Jahre getreten. Warum? Angst vor Liebesentzug! Liebesentzug war in meiner Kinder- und Jugendzeit das Erziehungsmittel meiner Familie par excellence. Was legst Du schon wieder für ein Verhalten an den Tag? Oder: Warum hast Du nur einen Zweier in Deutsch? Jede nicht erfüllte Erwartung der Eltern endete in diesem unvorstellbar grausamen Einsamkeitsgefühl.
Ausweg Ohnmacht
Die Ohnmacht war der einzige Ausweg, den meine Seele dafür vorgesehen hatte und viele Male lag ich am Boden. Ohnmächtig, einfach so! Danach war mir meistens ein Quäntchen Zuneigung sicher! Doch das Gefühl der Ohnmacht war auch nicht viel besser, hatte ich in der Zeit des „Weggetreten-Seins“ nicht einmal mehr die Macht über mich selbst. So begegnete mir die Macht in der Ohnmacht erneut, nur im Gewand des „Macht-los Seins“.
Lebenslektion Macht – Ohnmacht
Das „Macht-los-Sein“ erlebte ich nicht nur in meiner eigenen Ohnmacht. Ich litt, wenn ein geliebter Mensch meine Hilfe ablehnte, oder ein Krankenbesuch von Seiten der Ärzte untersagt wurde. Elementar empfinde ich es beim Tod eines Familienmitgliedes. Diese Lebenslektionen sind für mich bis heute besonders schmerzhaft, doch mit Akzeptanz und fürsorglicher Selbstliebe begegne ich diesen Situationen immer gelassener.
Selbstfürsorge
Je älter ich wurde, lernte ich jedoch die Vorzeichen meiner Ohnmachtsanfälle immer besser kennen. Plötzlich auftretendes Herzklopfen und schweißnasse Hände haben die Farbe „orange“ auf meiner Angst-Ampel. Und die Flucht in die Ruhe und Abgeschiedenheit sind der einzig mögliche Ausweg. Mit dieser Strategie entzog ich mich langsam aber stetig den Fängen der „Macht-Menschen“ in meinem Umfeld.
Hilfe aus der Machtfalle
„Von guten Mächten wunderbar geborgen …………….“ Vielleicht kennst Du den Text des lutherischen Theologen Dietrich Bonhoeffer (* 4. Februar 1906 in Breslau; † 9. April 1945 im KZ Flossenbürg), der häufig zum Jahreswechsel oder in Trauergottesdiensten gesungen wird. Darin erkannte ich als junge Erwachsene den Weg aus der krankmachenden Macht hin zu Gottes Allmacht. Meine Ohnmacht war gebannt, wie wunderbar! Seit mir das bewusst ist, hat Niemand mehr Macht über mich. Was für eine Erleichterung, welch befreiendes Gefühl! Das war lange mein Status Quo.
Erneute Ohnmacht?
Doch jetzt, in Zeiten von Covid19 beschleicht mich das Gefühl einer mir bislang unbekannten Macht. Ein Virus hält die Welt in Atem. Welche Farbe hat diese Macht? Ehrlich, ich weiß es nicht. Als gereifter Mensch habe ich jedoch stets die Freiheit: Was ich denke. Wofür oder wogegen ich mich entscheide, immer jedoch zu meinem und zum Wohl meiner Mitmenschen. Gerade jetzt in Zeiten der Pandemie. Die Verantwortung liegt bei mir.
Macht – Ohnmacht – Gottes Allmacht
Ein nicht alltäglicher Dreiklang, aber im Abschluss ein Wohlklang. Mit ihm kann ich gut leben, auch in Pandemie-Zeiten. Dafür habe ich mich entschieden!
Welche Erfahrungen hast Du mit der Macht und der Ohnmacht? Schreibe mir gerne einen Kommentar oder eine Mail an info@margaretha-schedler.de
Liebe Margaretha,
besonders der Abschluss Deines Artikels spricht mich sehr an.
Auch für mich musste erst die Erkenntnis kommen, dass ich zwar nicht die Umstände beeinflussen kann, aber meine Reaktion darauf.
Es gelingt mir nicht immer, aber ich werde besser 🙂
Danke für die Erinnerung
Liebe Dagmar,
genauso ist es, liebe Dagmar, egal in welchen Situationen/Lebensereignissen wir uns befinden, wir haben immer die Möglichkeit wie wir darauf reagieren. Darauf wollte ich mit meinem Artikel unter anderem hinweisen. Wie schön, dass Du es erkannt hast. Es ist eine immerwährender Auftrag an uns selbst, dies zu erkennen und uns damit auseinander zu setzen. Ganz herzlichen Dank für Deinen Kommentar.
Liebe Margaretha, da schreibst du über ein sehr existenzielles Thema, das sich gerade viele Menschen im tiefsten Inneren berührt. Dein Bezug auf das Lied von Dietrich Bonhoeffer hat mich sehr berührt. Weil es so treffend ist und so tröstlich. Denn ich glaube Trost brauchen wir tatsächlich in diesen Zeiten der Ohnmacht, in der so viele alte Wunden und Verletzungen berührt und aktiviert werden.
Darüber zu schreiben so wie du es tust hat schon ganz viel mit Heilung zu tun. Und sendet eine Botschaft der Wahrheit und Liebe in die Welt.
Und so wie du versuche ich auch immer wieder in meine innere Mitte zu kommen, die Verantwortung (die Antwort auf mein Leben) für mich zu übernehmen, mich aber in Phasen der Dunkelheit vor allem mit Mitgefühl selbst zu begleiten. Das ist ein immerwährender Prozess, wie Ebbe und Flut.
Und am Ende steht auch für mich die Liebe Gottes, die uns schützend hält. Gut, dass du uns mit deinem Beitrag daran erinnerst. Liebe Grüße Alexandra
Liebe Alexandra, vielen herzlichen Dank für Deine Gedanken. Besonders den des Trostes. Dass wir diesen auch in unserem Glauben finden können und dieser uns ein guter Wegweiser ist macht das Leben trotz Macht und Ohnmacht immer wieder lebenswert.
Hallo Margaretha,
wie gut kenne auch ich das Gefühl der Ohnmacht. Dann nämlich, wenn ich mich in etwas fügen muss, das ich nicht mag. Aber ich kenne auch das Gefühl der Macht. Ich habe Macht über meine eigenen Gedanken. Doch nicht nur das. Ich habe auch die Macht, etwas zu tun. Und vielleicht bewege ich damit etwas. Grundsätzlich stelle ich mir aber immer die Frage, was nützt mir meine Macht? Oder besser gefragt: Wozu nütze ich meine Macht? Besser ist es, ich überlasse vieles der Allmacht Gottes. Das macht mich gelassen.
Liebe Grüße
Ganz lieben Dank für Deine Gedanken liebe Edith. Mit der eigenen Macht gut umzugehen und diese immer wieder zu hinterfragen ist eine lebenslange Aufgabe.