Lädts Du Dir gerne Gäste ein?
Eigentlich schon, oder?
Doch wie gehst Du mit ungebetenen Gästen um und solchen, die nicht mehr gehen wollen?
Ich spreche hier über einen ganz besonderen Gast, nämlich die Trauer.
Das ist sehr ungewöhnlich, sagst Du jetzt vielleicht.
Das kann ich gut verstehen. Dennoch, für mich fühlt sich der Gedanke, die Trauer als Gast zu bezeichnen, sehr stimmig an und so habe ich diesem Raum und Zeit gegeben.
Auslöser dafür ist der plötzliche und unerwartete Tod unseres einzigen Sohnes.
Der Tod wartet nicht auf Deine Einladung, er ist einfach da
Wie oft hören oder lesen wir: „Du weißt weder den Tag noch die Stunde.“
Oder: „Der Tod gehört zum Leben!“
Doch ehrlich, denkst Du über ihn nach und geht der Gedanke an ihn Dir unter die Haut?
Der Kopf weiß, dass der Tod die einzige Gerechtigkeit im Leben ist, weshalb also über ihn nachdenken, sich mit ihm beschäftigen?
Mein Eindruck
Am 1. November, dem Fest Allerheiligen, und am 2. November –Allerseelen – erlauben ihm Christen für kurze Zeit eine gewisse Nähe.
Der Tod eines Angehörigen, vor allem die Trauerzeit der Hinterbliebenen, ist jedoch Privatsache.
Wie gehe ich damit um, wie geht mein Leben – neu – weiter?
Diese Frage hat sich in mir verfestigt. Ich gehe ihr nach und auf einmal kommen immer mehr Fragen dazu.
Wie geht trauern?
Gibt es dafür Regeln?
Muss ich immer ein trauriges Gesicht machen?
Darf ich lachen, wenn es mir nach Lachen zumute ist, oder muss ich darauf verzichten?
Darf ich Pläne schmieden, oder muss ich mich verkriechen?
Die Natur meine große Lehrmeisterin und Heilerin
Es ist November und die Tage werden wieder spürbar kälter und dunkler.
Die Bäume verlieren in ihrem Tempo das Laub und der Wind tut das seinige dazu.
Die Vögel sind verstummt, bis auf ein paar Krächzlaute der jungen Raben, die immer noch gefüttert werden wollen.
Die Natur bereitet sich für den „kleinen Tod“, den Winter, vor.
Und ich?
Würde ich mich heute anders fühlen, wenn ich mir diese Vorgänge der Natur jedes Jahr bewusst gemacht hätte?
Ich weiß es nicht, doch ich habe eine Idee!
Ich suche mir im PC meine schönsten Naturaufnahmen aus und nehme mir viel Zeit, jede einzelne auf mich wirken zu lassen.
Jedes Foto erzählt mir eine Geschichte. Ich erinnere mich an den Ort, den Zeitpunkt und die Stimmung, als ich auf den Auslöser drückte.
Ich fühle mich lebendig!
Beim Anblick der gemähten Wiese rieche ich den Duft des Heus und weiß um seine lebenspendende Verwendung als Futter.
Ich kann die Waldheidelbeeren schmecken, die ich fand, schaue ich mir das wunderschöne Foto des Waldweges an.
Selbst die Schneedecke ist in Bewegung und ich erkenne die durch den Wind veränderte Lage der Kristalle.
Sogar die Sterne funkeln in ihren Bildern zu meiner Freude um die Wette.
Alle Gedanken und Gefühle schreibe ich in mein persönliches Trauer-Tagebuch und spüre, wie dankbar ich bin.
35 Jahre durfte ich Mutter eines ganz wunderbaren und besonderen Menschen sein.
Ich bin glücklich und lächle.
Das Gefühl tiefen Friedens breitet sich in mir aus.
Die Trauer wird noch lange mein Gast sein und das ist gut so. Ich darf sie näher kennenlernen in all ihren Facetten.
Ganz allmählich beginne ich ihre Sprache zu verstehen und kann mich auf einen gemeinsamen Prozess einlassen.
Unser Weg wird nicht immer einfach sein, doch ich bin mir ganz sicher, ich werde Schritt für Schritt gestärkt mein neues Leben spüren und es lieben lernen.
Dabei bin ich mir meiner Stärken und Schwächen, meiner Grenzen und Freiheit durchaus bewusst.
Mit der Trauer wachse und reife ich. Durch sie gewinnt mein Leben an Tiefe und noch mehr Empathie.
Ich folge meiner inneren Stimme und weiß, ich bin nicht allein!
War oder ist die Trauer auch Dein Gast? Was kam Dir in den Sinn, beim Lesen dieses Artikels? Für wen wäre er hilfreich? Leite ihn gerne weiter.
Schreibe mir Deine Gedanken im Kommentar oder in einer persönlichen Mail. Ich freue mich auf einen Austausch mit Dir.
Liebe Margaretha,
danke für dein offenes Teilen dieses unfassbar schmerzhaften Ereignisses. Als Mutter von zwei Söhnen wage ich kaum darüber nachzudenken, was wäre, wenn ihnen etwas zustoßen sollte. Ich bewundere deine Kraft und klaren Worte.
Von Herzen, Vera
Liebe Vera,
ich danke Dir für Deinen Kommentar. Das Leben annehmen, so wie es ist, ist eines der größten Aufgaben unseres Daseins. Ich stelle mich den täglichen Herausforderungen so gut ich kann. Für das „was wäre wenn“ ist kein Platz.
Liebe Margaretha,
ein ganz wichtiger Artikel, den du da geschrieben hast. Und in meiner Erfahrung wurde der Umgang mit der Trauer viel leichter, als ich sie – immer wenn sie uneingeladen einfach vor der Tür stand – ich ihr die Tür geöffnet habe und sie reingelassen haben. Wenn die Gefühle schon da sind, ich ihnen aber die Tür nicht öffne, dann bauen sie vor der Tür ihr Zelt auf und beschließen zu campieren … und sie bleiben. Und bleiben.
Vor 5 Jahren ist meine liebe Freundin verstorben. Seit ich die Trauer einlade (wie du es beschreibst), ist das Trauern viel leichter. Die (unerwünschten) Gefühle gehen einmal durch mich hindurch und danach ist es wieder leichter. Seit dem ich so damit umgehe, kann ich auch viel öfter in Freude an sie denken, höre sie zu mir sprechen und ich lache und ich weine mit ihr. Trauer zulassen hat sie mir wieder näher gebracht.
Danke, dass du darüber schreibst.
Herzliche Grüße
Sandra
Liebe Sandra,
vielen Dank für den Einblick in Dein Leben und den Umgang damit. Wir alle sind einzigartige Individuen und mit der Trauer, als großes Gefühl zu leben ist sehr individuell. Sie zuzulassen ist ein erster wichtiger Schritt. Freude und Trauer gehen oft Hand in Hand. Das erlebe ich auch immer öfter.
Liebe Margaretha,
aus der Ferne sende ich Dir eine liebevolle Umarmung. – Ich weiss nicht, wie es sich anfühlt, ein Kind zu verlieren; aber Trauer kenne ich gut. Wunderbar und bewundernswert ist Dein Umgang mit diesem ungebetenen Gast. Dankbarkeit ist ein grosses Heilmittel, das erfahre ich auch immer wieder.
Herzbewegte Grüsse, Jutta
Vielen Dank für Deine liebevolle Umarmung aus der Ferne und Deine Gedanken, liebe Jutta.
„Niemals geht man so ganz“ hat Trude Herr mit Wolfgang Niedecken und Tommy Engel vor 30 Jahren gesungen.
Liebe Margret, Dein Sohn ist aus Deinem und Eurem Leben gegangen. Völlig unerwartet. Eine Lungenembolie ist leider in vielen Fällen tödlich! Und seither steht die Trauer immer wieder einmal vor Deiner Herzenstüre. Ich habe Michael sehr geschätzt und weiß, was Du verloren hast. Mein Mann und ich gehören ebenfalls zu den „verwaisten Eltern“ – ich vermag Deinen Schmerz auch aus eigenem Erleben nachzuvollziehen.
„Wie geht trauern?“ Das kann eigentlich niemand sagen. Gewiss, es gibt gute und seriöse Literatur von namhaften Autorinnen und Autoren über Trauerarbeit. Das „Buch der Natur“ schlägt für Dich jedoch viele kostbare Seiten auf in dieser Zeit der Trauer. Und zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist dies Teil der Antwort: „So geht trauern!“
„Niemals geht man so ganz.“ Michael taucht immer wieder in unseren Gesprächen auf, wie selbstverständlich. Aber ich spüre, dass Du ihn dennoch „loslassen“ kannst. Neulich hast Du mir seine Kaffeetasse aus feinem englischem Porzellan geschenkt – der Kaffee darin ist etwas ganz Besonderes!
Liebe Margret, ich wünsche Dir und auch Deinem Mann weiterhin viel Kraft. Und noch ein freundschaftlicher Hinweis: Männer trauern anders! Auch dies durfte ich nach dem Tod unseres Sohnes erfahren …
Herzlichst,
Laura
Liebe Laura,
vielen Dank für Deinen so wunderbaren Kommentar, liebste Freundin. Unsere tiefgreifenden Gespräche sind mir ein ganz besonderer Schatz und in der Zeit der Trauer besonders wertvolle Diamanten. Michael und Du standet Euch sehr nahe und es war mir ein großes Bedürfnis Dir seine schöne Kaffeetasse zu schenken, weiß ich doch um deren Wertschätzung.
Liebe Margaretha, wie feinfühlig mit großer Achtung und Würde du diesen Text geschrieben hast. Sei lieb umarmt, in deiner Trauer… will sagen, sei dankbar, dass du dich verabschieden konntest…gib dir die Zeit, die dafür brauchst…❤️❤️ ein Herz für dich und ein Herz für deinen Sohn.
Liebe Cornelia,
vielen herzlichen Dank für Deine Zeilen. Der würdevolle Umgang und die Achtung vor Allem was das Leben uns schenkt ist mir ein großes Anliegen.
Liebe Margaretha,
ich empfinde tiefes Beileid für deinen so schweren Verlust.
Und Bewunderung für deine Offenheit!
Danke für deinen Text, der mich berührt und erinnert hat. Trauer liebevoll anzunehmen, während es mich innerlich zerreißt, das ist etwas, was ich auch lernen musste. Ich brauchte dafür allerdings eine Therapie, auch mir war Trauer kein willkommener Gast, da arbeitete ich lieber mehr. Lange hab ich mich gesträubt – zu überwältigt war ich von meinem Verlust. Zu voreingenommen gegenüber Trauer und ihren Auswirkungen, nämlich still zu werden, langsam, einsam. Aber ich hab erfahren, dass das Annehmen der Trauer warm macht, weit macht, größer macht. Was sich auch auf andere positiv auswirkt. So wie dein Text auf mich als Leser, als jemand, der mit dir empfindet und immer wieder den heilenden Weg der Trauer gehen wird.
In meinem Roman „Ende eines Winters“ lasse ich den Prozess des Annehmens einfließen, mit dem Schreiben konnte ich mir meine eigene Heilung vergegenwärtigen. Was mich zu einem Neuanfang geführt hat.
Dir, liebe Margaretha, wünsche ich, dass dich deine Dankbarkeit und die Freude am Schönen weiter begleitet und wärmt.
Feste Umarmung, Rowena
Ein herzliches Vergelt´s Gott für Deine so berührenden Worte, liebe Rowena. Die Trauer ist ein großer Lehrmeister und wird mich und auch Dich immer heilsam begleiten, wie Du so schön schreibst.
Liebe Margaretha,
ich danke Dir für diesen wunderbaren Artikel. Wie es ist, die Trauer zu Gast zu haben, weiß ich noch nicht aus eigener Erfahrung. Nicht in dieser Größe, denn wenn die Oma mit 83 Jahren stirbt, ist Trauer ein anderer Gast.
Eines meiner Kinder zu verlieren – so unvorstellbar und doch, durch Dich greifbarer geworden.
Daher nochmal Danke, für diesen Einblick, für die Vorstellung Deines Gastes.
Sehr liebe Grüße
Angela
Liebe Angela,
die Trauer hat mehrere Gesichter und hat als Gast jeweils ein anderes Gewandt und eine andere Aufgabe. Vielen Dank für Deine so wertschätzenden Worte. Es ist, wie es ist, sagt die Liebe!
Liebe Margaretha, das ist ein wundervoller Artikel voller Weisheit. Ich bin berührt, ein wenig traurig und Danke Dir, dass Du mich auf diese Reise voller Berührtheit mitgenommen hast. Deine Wahrnehmung ist so geschärft für die Wunder des Seins. Danke!
Liebe Eva, mein Leben hat mich wohl weise gemacht. Danke Dir ganz herzlich für Deinen wundervollen Kommentar. Lass uns weiter gemeinsam die Wunder des Seins erkennen.
Liebe Margaretha, ein wunderschöner Artikel!
Ich fühle aus Deinen Zeilen so vieles. Einerseits diese große Trauer und andrerseits eine große Zuwendung an sie und Hingabe. Ich spüre das große Potenzial an Heilung und Entwicklung und auch eine kleine Freude daran. Eine Aufgabe. Men Herz schlägt mit Dir und ich verneige mich vor Deiner Fähigkeit und Weisheit, die Dinge, die Du nicht ändern kannst, so anzunehmen. Möge das Leben sanft mit Dir umgehen und Dir alles zufließen lassen, was Du auf dem Weg brauchst. Herzensgrüße von Karin
Mir fehlen die Worte, liebe Karin. Vielen herzlichen Dank für Deine Gedanken. Ja Gabe und Aufgabe, Entwicklung und Wandlung, das Leben fließt und wir dürfen vertrauen.
Liebe Martgaretha, das hast Du wunderschön ausgedrückt.
Vielen Dank, liebe Sabine. Vielleicht kann ich ja auch Dir damit ein wenig helfen.
Liebe Margaretha, was für ein wundervoller Artikel! Und was für eine wunderbare Idee, ein Trauer-Tagebuch zu führen. Und: Fotos sind ein tolles Hilfsmittel. Wenn es mir schlecht geht, setze ich mich mit alten Fotoalben hin und tauche in frühere Zeiten ein.
Ich kann mich ganz in Deine Stimmung hineinversetzen, und bewundere die Art und Weise, wie Du DIch mit dem Unausweichlichem auseinandersetzt. Du kannst vielen mit diesen Worten helfen, da bin ich mir ganz sicher. Ich bin sehr berührt. Alles Liebe, Annette
Vielen herzlichen Dank liebe Annette für Deine Gedanken. Ich hoffe sehr, dass mein Text viele Menschen erreicht und ich trauernden Menschen damit helfen kann.